Ihr habt bestimmt schon davon gehört, Hygge – so heißt es jetzt überall. Es ist der Trend der letzten Monate und es ist das Wort der letzten Monate. Hygge – das Wort kommt ursprünglich aus dem Germanischen, wird aber nur noch im Dänischen gebraucht und lässt sich gar nicht richtig in Worte fassen und übersetzen. Es bedeutet Gemütlichkeit, Geborgenheit und umschreibt aber eher einen entspannten, ausgelassenen Abend mit gutem Essen und alten Freunden. Und es ist jetzt das Gefühl, das wir alle haben wollen, nach dem wir streben. Ein dänisches Gemütlich- und Glückseligkeitsgefühl. Aber müssen wir auch wirklich nach diesem Hygge streben?
Schon lange ist bekannt, dass die Dänen immer noch Platz 1 der glücklichsten Menschen belegen und daran scheint sich auch nichts zu ändern. Doch woran liegt dieses Lebensgefühl? Woran liegt es, dass die Dänen mit ihrem Leben zufriedener sind als die meisten? Liegt es am dänischen Essen, der Unbeschwertheit der Dänen oder den hellen, fröhlichen Sommern und langen, dunklen Wintern? Oder liegt es an der Liebe zur Natur, am natürlichen und bewussten Design und damit am skandinavischen Wohnstil?
Hygge – was Dänen vom Wohnen verstehen
Die langen, kalten und dunklen Winter in Skandinavien und eben auch in Dänemark haben ein Bedürfnis hervorgerufen, ein Bedürfnis nach Behaglichkeit und Licht. Genau aus diesem Grund setzen skandinavische Designer auf helles Holz, viel Weiß und das Spiel mit natürlichen Materialien. So entsteht ein wohliges und gemütliches Wohngefühl, das es ja schon in unsere Häuser geschafft hat und zum Trend wurde. Der Skandi-Stil ist überall beliebt, weil er so natürlich und zugleich gemütlich ist. Die Dänen und auch die Schweden, Norweger und Isländern verstehen es aufs Detail, es sich schön zu machen. Dabei geht es ihnen nicht um Luxus und einen gehobenen Standard, sondern um ein Grundbedürfnis. Designer und Ikonen wie Arne Jacobsen, Alvar Aalto, H. J. Wegner und Greta Grossmann waren zu ihrer Zeit keine. Sie verstanden sich auch nicht als Designer. Das kam erst später als wir anderen den Blick auf die Skandinavier und ihr Zuhause richteten und feststellten, dass diese unseren Wohntraum schon lange leben.
Design-Ikonen und -Größen für den Alltag
Dänische Architekten brachten neues und klares Design in die Wohnungen und Häuser und machten sich selbst unbewusst zu Designern. Der praktische und schlichte Stil erfüllte nur alltägliche Bedürfnisse, doch ihre Werke wurden zu Ikonen und Trendstücken. Nicht umsonst sind viele Klassiker immer noch aktuell und werden in neuesten Auflagen produziert und gefertigt. Das zeitlose Design der Dänen überzeugt eben, schlicht und einfach. Aaltos Hocker „Artek E60“ findet sich mittlerweile sogar so ähnlich im Repertoire des schwedischen Möbelgiganten, ihr wisst schon, wovon ich spreche. Auch der 7er-Stuhl („Stuhl 3107“) von Arne Jacobsen ist immer noch nicht aus der Mode gekommen, wobei der erste Entwurf dazu aus den 50er Jahren stammt. Wegner hat sich auch dem Stuhl gewidmet und gleich mehrere Modelle geschaffen, die in die Geschichte eingingen und wieder gefertigt werden. „The Chair“, wie er genannt wird, ist immer noch heiß begehrt, genauso wie der „Wishbone Chair“.
Kann man den skandinavischen Stil einfach in den deutschen Alltag übertragen?
Aber mit dem Kauf eines solchen Klassikers oder gleich ganzer Serien der dänischen Designer zieht ja nicht gleich das Wohngefühl und der Lebensstil mit ein. Hygge ist ja schließlich etwas dänisches und dass wir uns im Lifestyle unterscheiden ist nicht zu leugnen. Lässt sich Hygge überhaupt übertragen? Können wir dieses Lebensgefühl überhaupt erreichen? Ich bin mir da nicht so sicher, denn die Grundvoraussetzungen sind ja ganz andere. Es geht uns ja nicht mehr um dieses Grundbedürfnis nach praktischem Design, sondern vielmehr um den Status und den damit verbundenen Lifestyle. So ist von vornherein eigentlich unmöglich, was wir uns doch sehnlichst wünschen: diese Behaglichkeit und Gemütlichkeit der Dänen, die Gelassenheit der Skandinavier.
Ein ganz „eigenes Hygge“ entwickeln
Vielleicht geht es aber auch gar nicht darum, das dänische Lebensgefühl zu erreichen, sondern uns nur einige Techniken und Angewohnheiten der Dänen abzuschauen. Diese ganzen Trends und der Hype um Hygge geht mir auch schon wieder auf die Nerven. Nur weil wir Deutschen das mit dem Leben und Loslassen immer noch nicht so ganz verstanden haben, schauen wir wieder nach Skandinavien. Schließlich wissen die ja, wie das geht. Und schon versuchen wir ihnen hinterherzueifern und alles aus dem Norden zu adaptieren. Viel wichtiger dabei ist, dass wir unser Leben und vor allem unser Denken überdenken und neu sortieren müssen. Mit dem Kauf eines dänischen Möbelstücks ist es nicht getan und Hygge zieht in unseren Alltag mit ein.
Dafür müssen wir schon mehr tun, dafür müssen wir uns ändern und unser Leben neu definieren. Dafür müssen wir das Leben an erste Stelle setzen und die Arbeit auf unserer Prioritätenliste weiter nach unten verschieben. Und dafür müssen wir anfangen das Leben zu genießen und uns unser Leben so einrichten und gestalten, dass wir uns damit wohl fühlen. Im Prinzip geht es doch darum, dass wir unser Leben so einrichten müssen, dass wir uns darin behaglich fühlen und uns darin zurückziehen können, ganz wie in eine Wohnung. Erst wenn wir das begreifen und daran arbeiten, kann eine Art „deutsches Hygge“ entstehen, denke ich.
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